Der EuGH hat mit Urteil vom 17.05.2023 – C-264/22 – im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf eine Frage des Tribunal da Relação de Lisboa (Berufungsgericht Lissabon, Portugal) zum auf einen Deliktsanspruch nach Forderungsübergang anwendbaren Recht geantwortet.

Der Geschädigte, französischer Staatsangehöriger, erlitt im Jahr 2010 einen schweren Unfall vor der portugiesischen Küste. Er nahm daraufhin einen französischen Garantiefonds für Unfallopfer (FGTI) vor dem Tribunal de grande instance de Lyon (Großinstanzgericht Lyon, Frankreich) in Anspruch. Im Rahmen des Verfahrens einigten sich die Parteien dann Anfang 2014, die letzte Zahlung des Fonds an den Geschädigten erfolgte im April 2014.

Ende November 2016 klagte FGTI sodann gegen den mutmaßlichen Schädiger am Tribunal Marítimo de Lisboa (Seegericht Lissabon, Portugal) auf Erstattung. In erster Instanz wurde die Klage jedoch wegen Verjährung abgewiesen. Nach portugiesischem Recht verjährt der Schadenersatzanspruch im Grundsatz innerhalb von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt der unerlaubten Handlung (vgl. Art. 498 Abs. 1 Còdigo Civil).

FGTI wandte ein, dass französisches Recht (mit einer Verjährungsfrist von 10 Jahren ab der betreffenden gerichtlichen Entscheidung) anwendbar sei. Hilfsweise sei auch nach portugiesischem Recht noch keine Verjährung eingetreten, da die Frist erst ab Zahlung der letzten Rate an den Geschädigten zu laufen beginnen könne.

Der im Rahmen der Berufung angerufene EuGH äußerte sich zur Auslegung der Art. 4 Abs. 1, Art. 15 Buchst. h) und Art. 19 der Verordnung Nr. 864/2007 (Rom II-VO) und betonte erneut, dass die Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur nach deren Wortlaut, sondern auch ihrem Zusammenhang und ihren Zielen zu erfolgen hat.

Gemäß der allgemeinen Regel des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist das anwendbare Recht auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung dasjenige des Orts, an dem der Schaden eintritt.

Art. 15 h) Rom II-VO deklariert das nach der Verordnung anzuwendende Recht als maßgeblich auch für „die Bedingungen für das Erlöschen von Verpflichtungen und die Vorschriften über die Verjährung und die Rechtsverluste“.

Art. 19 Rom II-VO regelt darüber hinaus den gesetzlichen Forderungsübergang. Der EuGH stellt dabei fest, dass die Vorschrift somit „zwischen dem Recht, das auf die Beziehungen zwischen dem Gläubiger, d.h. dem Geschädigten im Fall eines Schadens, und dem Dritten, auf den seine Forderung übergegangen ist, anzuwenden ist, einerseits und dem Recht, das für die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner, d.h. im Fall eines Schadens die Beziehungen zwischen dem Geschädigten und dem Schadensversursacher, maßgebend ist, andererseits“ unterscheidet.

Da der Wortlaut von Art. 19 Rom II-VO außerdem eindeutig festlegt, dass „der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen [also die Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner] maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist“, ist also auch im Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Schuldner auf dieses Recht abzustellen.

Das anzuwendende Recht bestimmt sich jedoch nach der allgemeinen Regel des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO – im vorliegenden Fall wäre dies also portugiesisches Recht. In Verbindung mit Art. 15 Buchst. h) Rom II-VO richtet sich nach diesem auch die Bestimmung der Verjährungsfrist.

Der EuGH stellt darüber hinaus fest, dass dieses Ergebnis auch durch die allgemeine Systematik bestätigt wird. Art. 19 Rom II-VO befindet sich in Kapitel V und damit im Rahmen der gemeinsamen Vorschriften für Fälle, in denen das anzuwendende Recht als solches bereits nach den Vorschriften des Kapitels II-IV bestimmt wurde.

Eine andere Auslegung des Art. 19 Rom II-VO widerlaufe außerdem dem mit der Rom II-VO verfolgten Ziel. In diesem Zusammenhang verweist der EuGH insbesondere auf die Erwägungsgründe 6, 14 und 16, die als ausdrückliches Ziel der Verordnung die Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts als Grundlage für die erstrebte Rechtssicherheit und Harmonisierung festschreiben. Darüber hinaus bezweckt die Verordnung außerdem einen angemessenen Interessenausgleich.

Demzufolge darf es also nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich des anzuwendenden Rechts kommen, je nachdem, ob ein gesetzlicher Forderungsübergang stattfindet oder nicht.

Im Ergebnis ist für grenzüberschreitende Deliktsfälle mit gesetzlichem Forderungsübergang (z.B. auf Versicherungen) daher festzuhalten, dass mit Art. 19 Rom II-VO keine neue Rechtslage geschaffen wird, sondern es vielmehr bei dem nach den allgemeinen Regeln ermittelten anzuwendenden Recht bleibt – auch für die Frage der Verjährung. Regulierungsverhältnis und Regressverhältnis laufen dementsprechend gleich.

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