Mit Urteil Nr. 15 vom 09.02.2021 hat der Verfassungsgerichtshof zum Dekret des Präsidenten des Landesausschusses Nr. 8/1962 („Genehmigung des Einheitstextes der Landesgesetzte über die Regelung der geschlossenen Höfe in der Provinz Bozen“) und insbesondere zu Art. 18 Abs. 2 nach dem Erlassbeschluss des Gerichts Bozen vom 27.09.2019 Stellung genommen. Die dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegte Bestimmung betrifft die bei der Wahl des Erblassers des geschlossenen Hofes bei mehreren Miterben einzuhaltende Vorzugsreihenfolge und sieht im zweiten Absatz vor: „Unter den zur Erbfolge Berufenen gleichen Grades gebührt den männlichen der Vorzug gegenüber den weiblichen. Unter den Angehörigen gleichen Geschlechts hat der Ältere den Vorzug.“ Das erste Satzgefüge war bereits durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Nr. 193/2017 für verfassungswidrig erklärt worden, während das zweite – das ratione temporis auf das vorliegende Verfahren anwendbar ist, da der Regelungstext mit der Einführung des Landesgesetzes Nr. 17/2001 aufgehoben wurde – den Richter dazu veranlasste, die Angelegenheit an den Verfassungsgerichtshof zu verweisen, um die Vereinbarkeit der Vorschrift im Bezug auf Artikel 3 der Verfassung zu prüfen.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts wird offensichtliche Auswirkungen auf die Erbschaftsangelegenheiten in Südtirol haben, dem einzigen italienischen Gebiet, in dem die traditionelle Institution des „geschlossenen Hof “ vorhanden ist.

Die betreffende Einrichtung, die in der gesamten Provinz verbreitet ist, entspricht dem Bedürfnis, die Einheit der landwirtschaftlichen Flächen mit den dazugehörigen Gebäuden im Rahmen der Erbfolge zu erhalten, um eine Parzellierung des Gebiets zu vermeiden. Die Besonderheit des geschlossenen Hofes ist die Unteilbarkeit der Grundstücke und Gebäude, die es ausmachen, weshalb es im Laufe der Jahre vordefinierte Regeln zur Identifizierung des Eigentümers des Annahmerechts gab. Dazu gehört das sogenannte „Majorat“, d.h. das Erbrecht des geschlossenen Hofes, das dem ältesten männlichen Sohn zusteht.

Der geschlossene Hof hat tiefe historische Wurzeln, sowohl im Gewohnheitsrecht als auch später in lokalen Verordnungen oder kaiserlichen Dokumenten, aber in Südtirol wurde 1929 das Tiroler Gesetz über geschlossene Höfe aufgehoben, weil die Institution als unvereinbar mit dem italienischen Rechtssystem angesehen wurde. Erst 1948, mit dem Autonomiestatut, wurde die primäre Gesetzgebungskompetenz der Provinz Bozen zum Thema geschlossene Höfe anerkannt: das erste Landesgesetz, das den geschlossenen Hof wieder einführte, wurde am 29.03.1954 (L.P. 1/54) verabschiedet und später durch das Dekret des Präsidenten des Landesausschusses Nr. 8/1962 ersetzt, das der Verfassungsgerichtshof vorgelegt wurde.

Nachdem das Gericht festgestellt hatte, dass die aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht offensichtlich unbegründet war – ungeachtet der Tatsache, dass die Gesetzgebung aufgehoben worden war – ging es auf die Gründe ein, die der Einführung des geschlossenen Hofes zugrunde lagen, auf die Korrekturen, die an den entsprechenden Vorschriften vorgenommen wurden, in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen sowie der technischen Entwicklung, die im Laufe der Jahre stattgefunden haben, und auf die Gründe, die bestimmte Merkmale der Vorschriften, wie den „Majorat“, rechtfertigen, die in der ihm zur Prüfung vorgelegten Vorschrift aufgeführt sind.

In der Tat hat das Verfassungsgericht zwar die Bedeutung der fraglichen Institution im Panorama von Südtirol anerkannt, aber festgestellt, dass der ihr gewährte Schutz keine Abweichungen von den Grundsätzen des Systems rechtfertigt, sondern nur solche, die für die Erhaltung der Institution in ihren wesentlichen Zwecken und ihrer Besonderheit funktionell sind und nicht die Verletzung grundlegender Prinzipien des Verfassungssystems nach sich ziehen.

Die Einrichtung des Majorats wird nicht als immaterielles Element für die Identifizierung des alleinigen Pächters des Hofes angesehen, eine Bestimmung, die durch das L.P. 17/2001 ersetzt wurde, das stattdessen vorsieht, dass „im Fall mehrerer gleichberechtigter Miterbinnen und -erben (…), wird nach Anhören der Miterbinnen und -erben sowie der örtlichen Höfekommission jene Person für die Übernahme des Hofes bestimmt, die die besten Voraussetzungen für die persönliche Bewirtschaftung des geschlossenen Hofes nachweisen kann“.  Dies beweist, dass es dem Institut in seiner modernen Ausgestaltung gelungen ist, die verfolgten Ziele in Vorzugskriterien für die Zuerkennung des Anstellungsrechts auf der Grundlage einer effektiven Bindung an den Betrieb und fachlicher Kompetenz in der Betriebsführung umzusetzen. Dieses neue und andere Kriterium wird als geeignet angesehen, um die Disziplin mit einer flexiblen und allgemeinen Bestimmung abzuschließen, die sich in das Regelungsgefüge im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen und den Besonderheiten der Institution des geschlossenen Hofes einfügt, ohne ihre Unteilbarkeit zu untergraben. Die Fähigkeit zur Modernisierung und Anpassung der Institution des geschlossenen Hofes an gesellschaftliche Veränderungen – ohne den Zweck der Institution selbst zu verlieren – zeigt sich auch in der endgültigen Abschaffung der Institution des Majorat im Jahr 2010, nachdem sie im Gesetz von 2001 Nr. 17 Art. 14 Abs. 1 Buchst. g) als bloßes Restvorzugskriterium nutzbar geblieben war.

Nachdem das Verfassungsgericht also wegen der Unzumutbarkeit der Regel des höheren Gehalts als Kriterium für die automatische Bestimmung des Einstellungsanspruchs einen unheilbaren Widerspruch zwischen der fraglichen Bestimmung und Artikel 3 der Verfassung festgestellt hat, hat es mit dem oben erwähnten Satz Nr. 15 von 2021:

Freie Übersetzung auf Deutsch:

1) erklärt die Verfassungswidrigkeit des Art. 18, zweiter Absatz, des Dekrets des Präsidenten des Landesausschusses Nr. 8 vom 7. Februar 1962 („Genehmigung des Einheitstextes der Landesgesetze über die Regelung der geschlossenen Höfe in der Provinz Bozen“) insoweit, als es heißt, dass “ Unter den Angehörigen gleichen Geschlechts hat der Ältere den Vorzug „, anstatt vorzusehen, dass „Unter den Angehörigen gleicher Rangstufe derjenige ausgewählt wird, der nachweislich die besten Voraussetzungen für die persönliche Bewirtschaftung des geschlossenen Hofes hat“;

2. erklärt folglich gemäß Artikel 27 des Gesetzes Nr. 87 vom 11. März 1953 (Vorschriften über die Errichtung und die Arbeitsweise des Verfassungsgerichts) die Verfassungswidrigkeit von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe g) des Landesgesetzes Nr. 17 der Autonomen Provinz Bozen vom 28. November 2001 (Höfegesetz)

3. die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Art. 25 Abs. 1 des Dekrets Nr. 8 von 1962 des Präsidenten des Landesausschusses, die das Landesgericht Bozen mit dem im vorliegenden Rechtsmittel angeführten Beschluss unter Hinweis auf die Art. 3 und 42 der Verfassung aufgeworfen hat, für unzulässig zu erklären.

 

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