Gespickt von einer Reihe verschiedenster – teils gegenteiliger – Informationen wird derzeit viel diskutiert die Reform der Gesetzgebung zur Sicherheit im Wintersport durch das D.Lgs. (gesetzvertretendes Dekret) vom 28.02.2021 Nr. 40. Dieses tritt mit 01.01.2022 in Kraft. Mit einigen Neuerungen wird dadurch das Gesetz Nr. 363/2003 abgelöst und eine einheitliche Regelung für den Wintersport in Italien geschaffen.

Diese umfasst naturgemäß ein weites Feld – dieser Beitrag befasst sich daher mit den Themen, die für den Freizeit-Wintersportler von Ski, Snowboard und Telemark bis hin zu Schneeschuhwanderungen von Bedeutung sind.

Das Südtiroler Landesstatistikinstitut Astat stellte für die Wintersaison 2019/20 insgesamt 9.908 Unfälle auf Skipisten fest und damit trotz vorzeitiger Unterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie einen Anstieg um ca. 600 Fälle im Vergleich zur Vorsaison. Mit 74,1 % führt das Feld dabei der Unfallarten der Sturz ohne Fremdbeteiligung an. Zwar schließt sich erst mit einigem Abstand an den Eigensturz die Kollision mit anderen Beteiligten auf dem zweiten Platz an. Diese zieht dabei aber regelmäßig die schwereren Verletzungen mit sich. Auch die Zahlen der deutschen Stiftung Sicherheit im Skisport liegen bei der Verteilung der Unfallarten ähnlich.

Um der steigenden Anzahl an Besuchern der Skigebiete und dem im Trend liegenden Zeitgeist der Suche nach immer neuen Abenteuern Rechnung zu tragen, verfolgt die Neuregelung das Ziel, die allgemeinen Sicherheitsstandards zu erhöhen und gleichzeitig die zivil- und strafrechtlichen Haftungen der Betreiber von Skianlagen hinsichtlich der Entscheidungen der einzelnen Wintersportler zu begrenzen und der Selbstverantwortung letztere stärkeres Gewicht zukommen zu lassen.

1. Verhaltensregeln für Wintersportler – Welche Regeln gelten auf den Pisten?

Für Wintersporttreibende sind neben dem Katalog der allgemeinen Verhaltensregeln (Art. 18-22) vor allem 3 Themengebiete des Dekrets von besonderem Interesse: Die Pflicht zum Tragen eines genormten Helms für Skifahrer bis 18 Jahre (Art. 17), die Haftpflichtversicherungspflicht (Art. 30) sowie die Regeln rund um das Thema Alkohol (Art. 31).

Die Vorschriften gelten für eingerichtete und präparierte Skigelände, also der Öffentlichkeit zugängliche Pisten, Skilifte und Beschneiungsanlagen zur Ausübung von Wintersport wie Skifahren, Snowboarden, Langlauf, Rodeln und weiterer Sportarten (Art. 2, 4 Abs. 1).

Zu beachten ist auch, dass der Verstoß gegen die Vorschriften gem. Art. 33 des D.Lgs. Nr. 40/2021 eine Verwaltungsgeldstrafe unterschiedlicher Höhe sowie die Einziehung des Skipasses für bis zu 3 Tage oder bei schweren Vergehen dauerhaft nach sich ziehen kann.

Dem neuen Gedanken der Eigenverantwortlichkeit trägt bereits Art. 18 Rechnung, der zu einem angemessenen Verhalten im Hinblick auf die Eigenarten der jeweiligen Piste, die Umweltbedingungen sowie nun auch der eigenen technischen Fähigkeiten verpflichtet. Dies gilt dabei nicht nur im Hinblick auf die Gefährdung Dritter, sondern auch die eigene Unversehrtheit. Hierzu gehört dementsprechend auch eine angepasste Geschwindigkeit sowie Umsichtigkeit und Sorgfalt, die es beispielsweise an Wetterbedingungen oder Besucheraufkommen anzupassen gilt. Die Verwaltungsstrafe bei einem Verstoß beträgt dabei 50-150€.

An diesen Leitsatz schließt Art. 27 an, der die Befahrung von Pisten auf Grundlage der individuellen physischen Kapazitäten und technischen Kenntnisse voraussetzt und für die Benutzung von schwarzen Pisten ausdrücklich fortgeschrittenes Können („elevate capacità fisiche e tecniche“). Ein Verstoß wird hier mit einer Verwaltungsstrafe in Höhe von 250-1.000 € geahndet.

Hinsichtlich der Vorfahrt, des Überholens, Haltens, Losfahrens und der Hilfeleistung für Dritte in Not gelten weiterhin die altbewährten und bekannten Regeln. Die Verwaltungsstrafe bei einem Verstoß gegen die allgemeinen Verhaltensregeln beträgt 50-150 € bzw. 100-150 € für unterlassene Hilfeleistung.

Wichtig ist dabei insbesondere Art. 21 Abs. 1. Dieser fasst die Regelungen an Kreuzungen neu. Hier gilt nicht mehr „rechts vor links“, sondern die Anpassung der Fahrtrichtung und Geschwindigkeit zur Vermeidung von Zusammenstößen mit aus anderen Richtungen oder von anderen Pisten kommenden Fahrern für jeden. Diese Änderung birgt dementsprechend große Gefahr aufgrund der bisherigen langjährigen anderen Praxis. In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass im Rahmen eines Gerichtsverfahrens hinsichtlich des Verschuldens nun nicht mehr einfach auf das Kriterium der bisherigen Vorfahrtsregel verwiesen werden kann.

Mit Art. 17 wird die Altersgrenze der Pflicht zum Tragen eines Helms für alle Pistennutzer von 14 auf 18 Jahre angehoben. Dabei muss es sich um einen zugelassenen Helm handeln, andernfalls kann dieser durch die Verwaltung sichergestellt und dadurch aus dem Verkehr gezogen werden. Ein Verstoß zieht eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 100-150€. Das Tragen eines Helms zur Vermeidung schwerster Verletzungen sei an dieser Stelle ausdrücklich für alle empfohlen.

Absolut neu ist ab sofort die Pflicht für alle Pistenbenutzer, eine Haftpflichtversicherung vorweisen zu können. Gleichzeitig werden die Betreiber der Skianlagen dazu verpflichtet, mit dem Verkauf des Skipasses auch den Zuerwerb einer entsprechenden Versicherung anzubieten. Die Verwaltungsstrafe in Höhe von 100-150 € bei einem Verstoß fällt jedoch nur für den Wintersportler an, sofern er keine Versicherung hat. Private Haftpflichtversicherungen umfassen in der Regel Personen-, Sach- und Vermögensschäden. Die gesetzliche Regelung sieht keine Mindestdeckung vor. An dieser Stelle raten wir jedoch dazu an, insbesondere auf eine ausreichende Versicherungssumme für Personenschäden bei verletzten oder getöteten Personen zu achten. Hierfür empfiehlt sich eine Deckung in Höhe von mindestens 3 Mio. €. Des Weiteren sollten Versicherungsnehmer überprüfen, ob ihr Vertrag eventuelle Ausschlussklauseln für wintersportliche Aktivitäten enthält. Die private Haftpflichtversicherung deckt grundsätzlich Schäden an Dritten ab – ein eigener erlittener Schaden, z.B. durch einen Unfall, ist dadurch in der Regel nicht versichert.

Mit gutem Ansatz aber – um es vorwegzunehmen – nicht ganz gelungen ist die Umsetzung der Regeln zum Umgang mit Alkohol im Zusammenhang mit dem Wintersport. Art. 31 verbietet das Skifahren im Zustand der Trunkenheit („stato di ebbrezza“) aufgrund des Konsums alkoholischer Getränke oder toxikologischer Substanzen. Zur Feststellung ermächtigt die Norm auch zur Untersuchung mittels nicht invasiver Maßnahmen und verweist auf weitergehende Untersuchungen mit den gem. Art. 379 D.P.R. 495/1992 (Regelung & Durchführungsverordnung der Straßenverkehrsordnung) zugelassenen Mitteln. Anders als an anderen Stellen verlautbart ist dieser Verweis aus Absatz 3 ausdrücklich auf die Instrumente zur Feststellung der Intoxikation formuliert und kann daher nicht dazu dienen, die in der zitierten Norm in Bezug genommenen 0,5 ‰ als Grenze auch für die vorliegende Regelung heranzuziehen. Der Wortlaut des Absatz 1 enthält keine dahingehende Konkretisierung und liest sich daher zunächst wie eine 0,0 ‰-Grenze. Allenfalls die Heranziehung des gesetzgeberischen Willens – der vermutlich keine strengere Regelung als für den Straßenverkehr beabsichtigte – und der wortgleichen Verwendung des „stato di ebbrezza“ in Art. 186 CdS (Straßenverkehrsordnung) mit dem Limit von 0,5 ‰ ließe eine entsprechende Interpretation zu. Mangels Klärung staatlicherseits und Erfahrung aus der Praxis ist derzeit ist jedoch nicht zu empfehlen, sich auf eine solche Gesetzesauslegung zu verlassen.

Mit Art. 34-37 sind schließlich weitere Regelungen für Personen mit Behinderung eingefügt worden. Diese müssen für den Fall, dass sie den nicht vollkommen eigenständig und sicher praktizieren können, mit einer als solche gekennzeichnete Begleitperson unterwegs sein und sich durch ein orangenes Leibchen sichtbar machen. Hier gilt die Helmpflicht unabhängig vom Alter für alle Personen mit Behinderung.

2.  Verhaltensregeln für Wintersportler – Was gilt für Skitourengeher, (Schneeschuh-)Wanderer sowie außerhalb der Piste?

Bei einem Aufenthalt innerhalb der eingerichteten Skigelände gelten die unter 2.1. dargestellten Vorschriften. Hierbei ist auf Art. 24 zu verweisen, der eine Überquerung der Piste zu Fuß oder mit Schneeschuhen nur im absoluten Notfall erlaubt. Ein Abstieg hat am Rand der Piste zu erfolgen. Der Aufstieg ist sowohl für Skitourengeher als auch (Schneeschuh-)Wanderer grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme besteht, sofern der Betreiber der Skianlage dies genehmigt oder eine bestimmte Strecke speziell hierfür ausgewiesen hat oder ein Notfall dies absolut unumgänglich macht.

Art. 26 sieht nun vor, dass sich sämtliche Wintersportler, die außerhalb der präparierten Gebiete unterwegs sind – also nicht nur Skitourengeher –, über die Schnee- und Wetterbedingungen informieren müssen und sich bei Lawinengefahr mit geeigneten elektronischen LVS-Geräten, Lawinenschaufel und Sonde auszurüsten haben. Leider verweist das Gesetz an dieser Stelle nicht auf eine konkrete Gefahrenstufe. Die Betreiber der Skianlagen müssen jedoch die Informationen über die aktuelle Lawinensituation bereitstellen.

3.  Wer haftet wann?

Der Gedanke der Eigenverantwortlichkeit zieht sich wie aufgezeigt durch die gesamte neue Gesetzgebung hindurch. Für den Fall eines Zusammenstoßes von Wintersportlern auf einer Piste sieht Art. 28 auch weiterhin ein Mitverschulden zu gleichen Teilen vor, solange nichts anderes bewiesen werden kann. Er ist dabei wortgleich mit dem entsprechenden Art. 2054 Abs. 2 cc zu Zusammenstößen von Kraftfahrzeugen. Hier sei nochmals auf die neue Regelung hinsichtlich der Kreuzungen aus Art. 21 verwiesen, die in diesem Fall keine Indizwirkung durch die bisher geltende Vorfahrtsregel „rechts vor links“ mehr bereithält.

Eine Haftung der Betreiber der Skianlagen wird durch Art. 15 auf die ordnungsgemäße Umsetzung der Vorschriften zur Sicherheit des Pistenbetriebs beschränkt. Hierzu gehören selbstverständlich auch die oben genannten Informations- und Markierungspflichten. Außerhalb der Pisten ist eine zivilrechtliche Haftung der Betreiber der Skianlagen durch Art. 26 ausgeschlossen.

4.  Fazit.

Leider fehlt dem konkreten Gesetzestext an einigen Stellen jedoch die notwendige Bestimmtheit, um eine vollumfänglich rechtssichere Umsetzung in der Praxis zu gewährleisten – verwiesen sei hier insbesondere auf die Thematik Alkohol, die neben der Ausgestaltung des privaten Wintererlebnisses vor allem auch gravierende Auswirkungen für die Hüttenbetreiber mit sich bringen könnte. Nichtsdestotrotz ist die Neuregelung grundsätzlich absolut zu begrüßen und hält sowohl ein geeignetes Grundkonzept sowie eine Vielzahl guter Ansätze zur sichereren Gestaltung des Wintersports bereit, die an vielen Stellen auch bereits gut durch die Vorschriften umgesetzt werden. Unter Rückbesinnung auf die Umsichtigkeit eines jeden Einzelnen dürfte dem sicheren Genuss von Schnee, Natur und sportlicher Aktivität damit also nichts mehr im Wege stehen.

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